Deutschland verliert als große Industrienation immer mehr an Standing. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, haben aber unter anderem auch mit dem Fachkräftemangel und fehlendem Mut zu tun, die richtigen Entscheidungen zu treffen und diese dann konsequent durchzusetzen. Der Einsatz neuer Technologien kann helfen, um den Anschluss in Punkto Innovation nicht noch mehr zu verlieren.
Wer wissen möchte, wie Deutschland auf dem internationalen Parkett mittlerweile wahrgenommen wird, muss sich die Rhetorik während der letzten Chinareise unseres Bundeskanzlers Olaf Scholz anschauen. Ein großzügiger chinesischer Ministerpräsident Li Qiang, der verkündet, dass China gerne bereit ist, mehr hochqualitative deutsche Produkte zu importieren. Dafür würde man natürlich die Einfuhrbeschränkungen aufheben, denn Rindfleisch und Äpfel aus Deutschland werden in China hochgeschätzt. Im Gegenzug hoffe Li darauf, dass Deutschland chinesische „Hochtechnologieprodukte“ ins Land lasse.
Der Agrarstaat Deutschland und der Hochtechnologie-Riese China. Lebensmittel gegen Computerchips und E-Autos. Was so gar nicht zum deutschen Selbstverständnis passen will, zum Land der Dichter und Denker, zur großen Automobilnation mit ihrer Ingenieurskunst, die „made in Germany“ zu einer internationalen Marke gemacht hat. Es entspricht allerdings immer mehr den Tatsachen. Die internationale Führungsrolle - oder ehemalige Führungsrolle muss man eher sagen - bei Forschung, Entwicklung und Innovation hat Deutschland in vielen Bereichen längst eingebüßt. Und entsprechend abgerutscht ist das internationale Ansehen Deutschlands.
Automobilindustrie: Einäugiger unter den Blinden
Bestes Beispiel hierfür ist leider das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, die Automobilindustrie. In diesem Industriezweig wird besonders deutlich, was auch in anderen Branchen immer mehr zur Realität wird: Produktionskapazitäten werden außerhalb Deutschlands geplant – und zwar nicht nur von deutschen Unternehmen. Auch für internationale Konzerne verliert der Wirtschafts- und Produktionsstandort Deutschland immer weiter an Attraktivität.
Als Gründe führen Experten wie Automobil-Guru Ferdinand Dudenhöffer die zögerliche Haltung Deutschlands bei Zukunftsinvestitionen an. Gegenüber der Deutschen Welle mahnte er schon im Dezember letzten Jahres: „Wir treten kürzer. Investments werden geschoben und in China wird investiert. Die Haushaltsprobleme und der bisher fehlende Bundeshaushalt verschärfen das Problem. Also in Deutschland herrscht Stillstand. Und richtig hart wird es nach 2025. Dann dominieren die Chinesen den Weltmarkt der E-Autos". In China, so der Autoexperte, säßen dann die großen Player "und in Deutschland die Hoffnungslosigkeit".
Der Autor geht nicht davon aus, dass die Entwicklung so rasant verlaufen wird. Denn die Deutschen werden dabei noch ein Wörtchen mitzureden haben, auch wenn das heutige Produktportfolio deutscher OEMs (in China) eher schwer verkäuflich ist. Im Vergleich mit anderen - etablierten und traditionellen - OEMs sind die deutschen OEMs aber mindestens "die Einäugigen unter den Blinden". Aber leider reicht das eben noch ganz und gar nicht, um langfristig weltweit erfolgreich zu sein.
Wirtschaftsstandort Deutschland verliert an Attraktivität
Es ist bei weitem nicht nur die deutsche Automobilindustrie, die um den internationalen Anschluss kämpft. Die Europäische Kommission hat bereits 2023, der Internationale Währungsfonds (IMF) und die OECD 2024 analysiert, dass Deutschland im Vergleich zu anderen entwickelten Volkswirtschaften eines der Schlusslichter beim Wirtschaftswachstum bleiben wird. Und die Economic Experts Survey aus dem vergangenen Herbst zeigt, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland in den letzten zehn Jahren substanziell an Attraktivität verloren hat. Hier muss die Politik günstigere Rahmenbedingungen setzen. Ohne einen deutlichen Abbau der Bürokratie, eine Senkung der Energiepreise und der Senkung der Unternehmenssteuern wird es nicht funktionieren. Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Politik – wir brauchen jetzt den vielbeschworenen „Deutschlandpakt“.
Die Crux daran: Das Gesellschaftsmodell Deutschlands, also unser Sozialstaat, ist extrem teuer in der Finanzierung. Wir geben große dreistellige Milliardenbeträge dafür aus. Was einerseits positiv ist und den Wohlstand im Land widerspiegelt, muss andererseits mit den hierzulande produzierten Produkten und erbrachten Dienstleistungen erwirtschaftet werden. Sinkt also die globale Nachfrage nach „made in Germany“, ist langfristig auch unser Gesellschaftsmodell in Gefahr, was man in Ansätzen am aktuellen Bundeshaushalt bereits erkennen kann.
Innovation is „Peoples Business“
Dabei gilt es zu bedenken, dass eine Research and Development-Abteilung, respektive Engineering-Abteilung nicht im luftleeren Raum am Hauptsitz eines deutschen Konzerns oder mittelständischen Unternehmens zielführend betrieben werden kann. Der direkte Draht in die Produktion vor Ort ist zwingend notwendig.
Und spätestens hier ist klar, dass Innovationskraft immer auch „Peoples Business“ ist. Denn wenn die Automobilindustrie und andere Industriezweige weiterhin Produktionsstätten und Werke ins Ausland verlagern, müssen die Entwicklungsabteilungen zwangsläufig folgen. Die entscheidende entweder-oder-Frage lautet also: Werden wir in den nächsten Jahren weiter Innovationskraft verlieren oder gelingt es uns, auch die Produktion im Land wieder so attraktiv zu gestalten, dass eine Verlagerung ins Ausland gar nicht mehr notwendig ist ?
Skills für die KI-Revolution
KI ist in dem Zusammenhang ein interessantes Schlagwort, weil sie gerade in allen Industriezweigen kleinere und größere Revolutionen auslöst. Deutschland steht vor der Herausforderung, dass KI-Experten, Data Engineers und Programmierer fehlen, um aus diesen neuen Technologien auch wieder neue Innovationskraft zu schöpfen. Diese vermeintliche Schwachstelle kann aber auch zu einem echten Motor werden, wenn Unternehmen nämlich erkennen, wie wichtig Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich sind. Wem es gelingt, die eigene Belegschaft mindestens teilweise in Punkto Technologie fit(ter) zu machen, kann diese neuen Skills dann gezielt für die Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit einsetzen. Denn Künstliche Intelligenz kann heute schon dafür genutzt werden, Software und Codes zu schreiben, also eine vergleichsweise dünne Workforce auch in diesen Bereichen unterstützen. Hier sind schnelle, mutige Entscheidungen und deren Umsetzung durch unsere Unternehmer erforderlich!
Aus der Not eine Tugend machen
Was wir dieser Tage definitiv merken: Der Druck nimmt kontinuierlich zu. Und das kann man sehr wohl auch positiv werten. Denn je höher der Druck, desto größer auch die Notwendigkeit, etwas zu verändern. Und wenn die internationale Wahrnehmung der deutschen Wirtschafts- und Innovationskraft eines zeigt, dann, dass Veränderungen dringend nötig sind. Not macht bekanntlich erfinderisch und mit Hilfe neuer Technologien haben wir die einmalige Chance, knappe Ressourcen mit Hilfe von KI, Software und Robotik so zu unterstützen, dass die verbleibenden Fachkräfte gezielt eingesetzt werden können. Das kann dazu beitragen, auch wieder mehr Produktion ins Land zu holen – und einen Wissenstransfer zu etablieren. Nämlich immer dann, wenn Mitarbeiter eines deutschen Unternehmens im Ausland Innovationen oder Patente entwickeln. Idealerweise werden diese dann in Deutschland gesichert, damit das Unternehmen und damit die deutsche Wirtschaft davon profitiert. Es gibt nur noch sehr vereinzelt Erkenntnisprobleme. Jetzt gilt es die mentale Komfortzone zu verlassen und umzusetzen. Neue Wege müssen beschritten und „einfach“ einmal ausprobiert und versucht werden. „Fail fast“ und die Anwendung der 80/20-Regel statt perfekter deutscher Ingenieurskunst. Wir brauchen mehr Mut! Und dann werden wir positiv davon überrascht sein, wohin sich dieser schmale Pfad, auf dem wir heute wandeln, im Verlauf der Reise entwickeln wird.
Verpassen Sie keine Ausgabe.
Abonnieren Sie unser internationales Magazin, um unsere neuesten Erkenntnisse, Meinungen und Insights zu erfahren.