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Sektoren- und Talentkonvergenz in den Erneuerbaren Energien

6 Minuten Lesedauer

Veränderung braucht Veränderung. Was banal klingt, kann mit einer gezielten Strategie zur Gewinnung von Führungskräften jenseits der eigenen Branchengrenzen neuen Schwung in Sektoren bringen.

Konvergenz ist ein fantastisches Prinzip. Übersetzt ist damit die Annäherung gemeint – in der Mathematik an einen Grenzwert, im Zwischenmenschlichen die von Meinungen oder Zielen. Und auch Unternehmen sollten innerhalb ihrer Recruiting-Strategie den Begriff fest verankern – und zwar im Kontext einer Sektoren- und Talentkonvergenz. 

Warum? Weil es in einer transformativen Phase, in der sich derzeit viele Sektoren der Energiewende (beispielsweise Hydrogen, Storage, Ladeinfrastruktur) befinden, schlicht unerlässlich ist, über den berühmten Tellerrand zu schauen. Gerade die massiven Investitionen in existierende und auch technologisch neuartige Infrastrukturen – wir denken allein an die Anforderungen dezentraler Erzeugung für die Netze und deren Auswirkungen für Industrie und Endkonsument – erfordern eine gewisse Kreativität bei der Talentsuche. Respektive finden sich die passenden Talente oftmals außerhalb des eigenen sektoralen Dunstkreises. 

 

Quereinstieg klingt oft nur krumm 

Talent- und Sektorenkonvergenz meint hier nichts anderes als der oft belächelte „Quereinstieg“. Zu Unrecht, sei an dieser Stelle betont. Denn was steckt letztendlich dahinter? Ein motivierter Mensch mit Erfahrung und Wissen – nur nicht, oder nur mit wenig Wissen aus dem expliziten Zielfeld in das er oder sie nun einsteigt.

Thomas Dorn Associate Partner

Und diese Talentkonvergenz oder eben den Quereinstieg brauchen wir aktuell für Innovationssprünge und Perspektivwechsel, gerade dort, wo eine Transformation hin zu Profitabilität und Resilienz dringend benötigt wird. An drei Beispielen lässt sich der Mehrwert dieser Konvergenz betrachten:

Ehemalige Top-Führungskräfte aus der Telekommunikationsindustrie bereichern bereits seit längerem die deutsche Energiewirtschaft besonders in Digitalisierung, Lösungsgeschäft und Kundenorientierung. Ihre Erfahrung mit IT-Infrastrukturen und datengetriebenen Geschäftsmodellen fördert innovative Energie-Management-Lösungen und intelligente Netze. Zudem bringen sie neue Kundenbindungsstrategien und wertvolles Wissen über regulierte Märkte ein, was die Energiewende effizienter und kundenfreundlicher macht.

Vormalige Executives der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität bringen momentan wertvolle Erfahrungen in Netzplanung, Standortentwicklung und digitaler Steuerung in die Projektentwicklung für Erneuerbare Energien und Batteriespeicher ein. Ihre Kenntnisse über Lastmanagement, skalierbare Energiesysteme und regulatorische Anforderungen helfen, Speicherlösungen optimal in das Stromnetz zu integrieren. Zudem fördern sie durch ihre kunden- und nutzerzentrierte Denkweise innovative Geschäftsmodelle, welche die Flexibilität und Wirtschaftlichkeit von Erneuerbaren-Anlagen steigern.

Erfahrene Manager:innen der chemischen Industrie und des chemischen Anlagenbau brachten und bringen wertvolle Expertise in Verfahrenstechnik, Skalierung und Sicherheitsstandards in den momentan international skalierenden, wenn auch herausfordernden Wasserstoffsektor ein. Ihre Erfahrung mit Großanlagen, komplexen Produktionsprozessen und regulatorischen Anforderungen unterstützt den effizienten Ausbau von Elektrolyseuren, Wasserstoffspeichern und Transportinfrastrukturen. Zudem treiben und trieben sie durch ihr Know-how in Technologie, Sektorenkopplung und Kommerzialisierung  die Entwicklung innovativer Technologien voran und fördern die wirtschaftliche Integration von Wasserstoff in Industrie- und Energiesysteme.

 

Die Geschichte wiederholt sich

Die Frage, die sich Unternehmen auf der Suche nach neuen Talenten heute im übertragenen Sinne also stellen müssen, lautet: Würden wir eine:n Pilot:in einstellen? Übersetzt heißt es nichts anderes, als zu hinterfragen, ob bei der Besetzung offener Stellen gerade auf Führungsebene auch tatsächlich die richtigen Auswahlkriterien angesetzt werden. Denn was die drei Beispiele in jedem Fall unterstreichen: Gerade die vermeintlich nur mittelbaren Verknüpfungen in der Berufserfahrung statten ihre Besitzer:innen mit eben jenen Qualifikationen und Fähigkeiten aus, die das heute so dringend benötigte „Outside-The-Box-Denken“ fördert. 

Spezifisch im Bereich der Energie- und Mobilitätswende ist es doch so: In Vergleich zu den großen Chemie- und Automobilkonzernen, dem Bankwesen und der Pharmazeutik ist diese Industrie an der einen Stelle ein Teenager, an der anderen ein Kleinkind, und bewegt sich in deutlich stärkeren Ausschlägen im Konnex zu Politik und Regulatorik wellenförmig auf und ab.

Thomas Dorn Associate Partner

Wenn wir und unsere Marktbegleiter sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Spitzenführungskräfte in Aufsicht und Exekutive die maßgeblichen Herausforderungen dieser Industrie lösen können, können wir uns oft nicht fragen, welches Unternehmen derselben Branche diese Transformation bereits geleistet hat, weil schlicht kein optimales Beispiel vorhanden ist. Stattdessen müssen wir uns fragen, an welcher Stelle angelehnte Branchen mit ähnlichen Fliehkräften die Herausforderungen bereits meisterten und diese Menschen für unsere Mission und unsere Klient:innen gewinnen. Das erfordert gleichermaßen Kreativität, Abstraktionsvermögen und ökonomische wie auch organisationskulturelle Sensibilität und schafft im besten Fall Branchenvorreiter, welche die Branche aus der Pole Position heraus prägen können.

 

Wie viel Konvergenz verträgt das Top-Management?

Was bei diesen Beispielen dennoch auch zu beachten ist: Der Grad der Konvergenz, der gerade auf Führungsebene in den Einstellungsprozess einfließen sollte, hängt stark von den Herausforderungen ab. Und hier stehen wir nicht vor einer binären Logik. Je nachdem, wie stark eine Rolle durch Regulatorik, Technologietiefe, der Relevanz von existierenden Marktnetzwerken und einem Feingefühl für die kleinsten Stellschrauben den Erfolg oder Misserfolg einer Rolle bestimmen, sollte der Freiraum für die Aufnahme von Quereinsteiger:innen kleiner oder größer ausfallen. Bei dem Austarieren sollten Aufsichtsgremien und Vorstände ehrlich, realistisch und allein aus Fairness gegenüber den Anzustellenden klar Chancen und Risiken abwägen. Und falls eine interne Perspektive nicht ausreicht, gibt es ja immer noch uns.

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